Die
Fernschreibtechnik
(Telex)
Ein wichtiger Teilbereich der Fernmeldetechnik ist, neben der Telegrafie und dem gesprochenen Wort, auch die Fernübertragung eines geschriebenen Textes. Nachdem es Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals gelang, auch längere Textpassagen mit akzeptabler Geschwindigkeit über Fernmeldeleitungen zu übermitteln, war die kommerzielle Nutzung des Telex (Kürzel für Teleprinter Exchange), die in den USA ihren Anfang nahm, nicht mehr aufzuhalten. Bei der Telefonie hatte sich anfangs die Technik der Endgeräte über einen langen Zeitraum kaum verändert. Anders sah es hingegen bei der Bild- und Schriftübertragung aus. Technische Innovationen in schneller Folge, die später auch in die Fernsehtechnik mündeten, waren hier beinahe an der Tagesordnung. Dies möchten wir den Besucherinnen und Besuchern unserer Ausstellung anhand aussagekräftiger Exponate näherbringen. Wir präsentieren eine größere Zahl von Fernschreibgeräten, die vom interessierten Publikum z.T. auch bedient werden dürfen. Auch den für die Wehrmacht konzipierten Hellschreiber "Feldhell" können Sie sich anschauen. Zudem zeigen wir Faxgeräte verschiedener Generationen, incl. des ersten für die Allgemeinheit brauchbaren Büro-Fax 'Siemens-Hell-Fax KF108'.
Der Siemens-Blattschreiber T100 war nach seiner
Vorstellung im Jahre 1958 nicht nur in Deutschland eine der am
meisten verwendeten Telex-Maschinen überhaupt. Das 30 kg schwere
Gerät verfügte mittels Peripherieapparaturen auch über die
Möglichkeiten zur Bearbeitung von Lochstreifen. Standardmäßig war
eine Übertragungsrate von 50 Baud vorgesehen. Die Modifizierung auf
75 Baud war problemlos möglich. Der T100 stellt, als rein mechanisch
arbeitendes Gerät, einen Meilenstein dar, denn die Nachfolgemodelle
von Siemens waren bereits mit elektronischen Komponenten aufgebaut.
Der Beruf des Büromaschi-nenmechanikers wurde immer seltener gefragt
und gilt seit dem Ende der 1990er Jahre als
ausgestorben.
Die Geschichte der Textübertragung
Die erstmals seit 1837 praktisch angewandte
Morsetelegrafie hatte zwar nach 1850 die personalintensive optische
Telegrafie nahezu vollständig verdrängt, aber sie ließ schon früh den Wunsch
nach einer für jedermann lesbaren Kommunikationsform aufkommen.
Größtes Handicap war nämlich, dass der Morsecode, obwohl
mittlerweile schon stark vereinfacht, zunächst
mühsam erlernt werden musste. Daher
wurde eine Aus- und Eingabe der Zeichen
im Klartext angestrebt.
Diese Forderung hatte zuerst der "Zeigertelegraf" erfüllt, dessen Grundlagen der britische Physiker Charles Wheatstone (*1802 †1875) schon im Jahre 1839 entwickelte. Ein praxistaugliches Gerät konnte aber erst ab 1847 von der im selben Jahr gegründeten Berliner Telegraphen-Bauanstalt Siemens & Halske in größeren Stückzahlen gefertigt werden. Vorwiegend für die Eisenbahn entstand wenig später eine verbesserte Modellreihe, der "Eisenbahntelegraf". Sender und Empfänger waren stets baugleich. Beim sendenden Gerät wurden Zeichen und Buchstaben mit einer horizontal angeordneten Kurbel nacheinander auf einem beschrifteten Kranz angewählt. Beim Empfänger wurde dann ein kleiner Zeiger durch ein Uhrwerk stufenweise weitergeschaltet und blieb an der gewählten Stelle stehen. Um einen zusammenhängenden Text zu erhalten, mussten die jeweiligen Zeichen nur nacheinander notiert werden. Der "Eisenbahntelegraf" benötigte nicht einmal eine externe Stromversorgung. Die erzeugte er sich im Gerät selbst, mittels eines Generators an der ohnehin bewegten Kurbel.
Spätere
Fernschreibgeräte, die mit einer beschrifteten Tastatur
ausgerüstet waren, setzten für jedes Zeichen jedoch eine maschinenlesbare
(digitale) Codierung
voraus. Den ersten derartigen 5-Bit-Code schuf im Jahre 1870
der
französische Ingenieur
Jean-Maurice-Émile Baudot (*1845
†1903).
Die Bedienung seines Telegrafen mit fünf Tasten, deren
Zusammenwirken für jedes der möglichen Zeichen variierte,
musste aber, ähnlich wie der Morsecode, erst erlernt
werden. Um 1901 entwickelte der gebürtige Neuseeländer und studierte
Journalist
Donald Murray
(*1865
†1945)
erstmals eine Möglichkeit, die fünf zugehörigen Bits eines
Zeichens mit einem einzigen Druck auf die entsprechend beschriftete
Taste einer alphanumerischen Tastatur in einen Lochstreifen
zu stanzen. Mittels eines Lesegerätes und der elektrischen
Formatierung konnten die Zeichen
anschließend seriell über ein Adernpaar
übertragen werden. Nach einigen Optimierungen des Ursprungscodes,
die vor allem der Schonung der Gerätetechnik geschuldet waren, entstand
schließlich der vereinzelt noch heute verwendete
“Baudot-Murray-Code“.
Fernschreibgeräte haben für alle mechanischen
Bewegungen einen einzigen zentralen Motor.
Bei freilaufenden Motoren muss man
jedoch, trotz sorgfältigster Drehzahleinstellungen,
immer mit einem asynchronen Lauf von Sender und Empfänger rechnen, der
ohne Gegenmaßnahmen in kürzester Zeit zur Unlesbarkeit der
Übertragung führen würde. Will
man ein Zeichen vom Sender sauber entschlüsseln,
so müssen die Geräte wenigstens
für diesen minimalen Zeitraum
annähernd synchron laufen. Dies
funktioniert mit einem genialen Trick: In das digitale
Protokoll werden Start- und Stoppbits eingefügt.
Vor der Verarbeitung des 5-Bit-Codes für das zu übertragende Zeichen gibt
es ein 'Startbit', welches den permanent laufenden Motor einkuppelt. Nach der 5-Bit-Übertragung wird der Motor mit dem
'Stoppbit' wieder ausgekuppelt.
Dazwischen reicht der
Gleichlauf beider Maschinen für die wichtige Sequenz
eines
zu übertragenden Zeichens aus. Die technische Realisation ließ sich der
junge Ingenieur
Howard Krum
(*1883
†1961),
der in den USA für die
Morkrum Company
tätig war, im Jahre
1907 patentieren.
So entstand in
diesem Unternehmen schließlich 1908 das erste auch
für Laien bedienbare
Fernschreibgerät. Ein konkurrierendes Unternehmen, die
Kleinschmidt Electric Company
des Deutschamerikaners
Ernst
Eduard Kleinschmidt -später
nannte er sich Edward E. Kleinschmidt-
(*1876
†1977)
entwickelte 1916 einen Blattschreiber und verwendete dabei ebenfalls den
“Baudot-Murray-Code“,
aber leider auch die Start-Stop-Technik von Howard Krum. Nach anfänglichen Patentstreitigkeiten fusionierten
schließlich beide Firmen in 1924 zur
Morkrum-Kleinschmidt Company. Der sperrige Firmenname wurde
1928
(nach ihren weitaus einprägsameren Produktbezeichnungen) in
Teletype Corporation
geändert. Als
Firmensitz wurde der Ort Skokie (nördl. Chicago) gewählt. Das erste gemeinsame
Fernschreibermodell war noch im Gründungsjahr das ’Teletype Model 14’, das
nur wenig später von der
Berliner Firma C. Lorenz
AG in Lizenz nachgebaut wurde. Dieses Gerät gilt als erster auch kommerziell erfolgreicher Fernschreiber weltweit,
denn von dessen
zahlreichen Varianten konnten mehr als 60.000 Stück verkauft werden.
1930 folgte das ’Teletype Model 15’ (bei
Lorenz
die ’Lo-15'
Reihe), von dem es bereits 200.000 Stück gab. Die Firma
Siemens setzte hingegen stets
auf eigene Konstruktionen, die in den Anfängen unter der
Bezeichnung “Springschreiber“ vermarktet wurden und in
Europa ebenfalls große Verbreitung fanden.
Die Gerätetechnik
Generell werden zwei Gerätetypen unterschieden:
Streifenschreiber: Hier werden die Zeichen auf einem 9,5 mm breiten durchgehenden Streifen geschrieben. Für Telegramme waren diese Streifen z.T. gummiert, um sie später untereinander auf das Telegrammpapier kleben zu können.
Blattschreiber: Hier werden die Zeichen auf ein Endlosblatt mit A4-Breite geschrieben. Die Papierrolle befindet sich hinter dem Druckwerk. Ist sie verbraucht, so wird die Übertragung automatisch abgebrochen.
[Anmerkung:
In unserer Ausstellung können wir eine
größere Zahl von Geräten beider Bauarten
aus diversen Baujahren und von
verschiedenen Herstellern zeigen. Gern können diese auch
praktisch erprobt werden.]
Obwohl seit Jahrzehnten in Gebrauch, wurde der “Baudot-Murray-Code“ erst 1932 nach CCITT-2 (ITA-2) standardisiert. Aufgrund des einschränkenden 5-Bit-Codes ist je nach Gerätetyp nur Groß- oder Kleinschrift möglich. Um die Anzahl der 32 (31) möglichen Zeichen zu verdoppeln, wurde ein Umschaltcode eingefügt. Tastenbeschriftung und -form dafür variierten, ja nach Hersteller. Deren Beschriftung konnte z.B. lauten: A..., für Buchstaben und 1..., für Ziffern+Sonderzeichen.
Während die ersten vor 1907 gebauten Geräte, ähnlich wie Fax-Geräte, über den gesamten Verbindungszeitraum absolut synchron laufen mussten, war nun (dank der Start-Stopp-Technik) auch der temporäre asynchrone Betrieb möglich. Sender und Empfänger mussten lediglich auf die gleiche Übertragungsrate eingestellt sein. Diese beträgt in Europa zumeist 50 Baud (das sind in der Sekunde 50 Signaländerungen). Die Sequenz für ein Zeichen umfasste ein Startbit, fünf Datenbits und das verlängerte Stoppbit. Der Empfänger konnte sogar auf geringfügig schnelleren Lauf eingestellt werden, damit er beim nächsten Startbit nicht noch beschäftigt ist. Bei 50 Baud erreichte man eine Leistungsfähigkeit von gut sechseinhalb übertragenen Zeichen pro Sekunde. Das System war aber nicht fehlertolerant, denn die falsche Übertragung nur eines Bits konnte im ungünstigsten Falle zur Unlesbarkeit ganzer Textpassagen führen.
Nach 1933, mit dem Beginn der öffentlichen
Fernschreibtechnik in Deutschland (zuvor gab es aber
schon
eine Reihe von betriebsinternen Netzen),
erweiterte sich die Teilnehmerzahl stetig. Nach dem Krieg
ging es mit den Anschlusszahlen steil bergauf, denn im Gegensatz zu den Anfängen, wo
die Reichspost allein das Monopol zum Betrieb von Telex-Geräten
innehatte, durfte inzwischen jeder ein solches Gerät
betreiben. In der Praxis war der kostspielige Betrieb jedoch nur
finanziell gut ausgestatteten und auf die Weitergabe von
rechtssicheren Dokumenten angewiesenen Institutionen vergönnt. Um
1955 waren in Westdeutschland rund 17.000 Geräte am Netz, um
1962
ca. 44.000 und
nach 1978
ca. 120.000. Jedes
Gerät konnte ohne Vorwahl direkt
angewählt werden. Um sicherzustellen, dass man auch
mit der richtigen
Gegenstelle verbunden ist, verfügt jeder Fernschreiber über einen
registrierten und vom Benutzer nicht veränderbaren
Kennungsgeber, der eine Fernabfrage der Identität
ermöglicht (das ist die Taste "wer da").
Nur dieser Umstand erlaubt auch die Anerkennung als
gerichtsfestes Beweismittel, denn Anschlussnummer und Kürzel beider Teilnehmer
sind auf jedem Telex am Anfang und am Ende verewigt.
Fernschreibverbindungen wurden stets nach Übertragungszeit verrechnet.
Nun verfügten viele der
Geräte über eine Stanz- und Lesemöglichkeit von Lochstreifen. War ein
Fernschaltgerät (FSG) mit 'Lokalmodus' vorhanden (was
zusätzliche Gebühren kostete), konnten die Texte in aller Ruhe
vorbereitet, Fehler korrigiert und nach dem Einlegen des fertigen
Lochstreifens mit der technisch maximal möglichen Geschwindigkeit
übertragen werden (was wiederum Gebühren einsparte).
Überdies gestattete dieses Verfahren
z.B. auch die Archivierung von vorgefertigten Textbausteinen.
Das Bild zeigt unser Ausstellungsstück, die Kofferausführung mit einem Gewicht von immerhin 27 kg, welches z.B. auf dem Rücken eines Soldaten mitgeführt werden konnte.
Bei nur 12 V Batteriespannung
erzeugte der an der linken Seite erkennbare dynamische Umformer nicht
nur die notwendige Anodenspannung (165 V) für die vier Elektronenröhren
vom Typ RV12-P4000, sondern auch die kinetische Energie für alle
mechanischen Funktionen, incl. des integrierten Streifenschreibers.
Das Gerät arbeitet mit einer Übertragungsrate von 122,5 Baud und gilt
als besonders resistent gegen Störungen. Auf den Streifen werden immer
zwei identische Zeilen untereinander geschrieben, denn die
Fliehkraftregler der Motore erlauben auch bei sorgfältigster Einstellung
nur eine annähernde Synchronisierung. Daher verlaufen beim Empfang beide
Zeilen in der Regel leicht schräg. Aber es kann
keines der übertragenen Zeichen verlorengehen. Die Augen können den Text
nämlich sehr schnell intuitiv wieder lesbar zusammensetzen.
i-Telex
Dieser Gerätetyp nutzt den "Baudot-Murray-Code", hat ein integriertes
Fernschaltgerät und kann, bei einer Übertragungsrate von 50 Baud, 400
Zeichen in der Minute verarbeiten. Ein optional erhältliches Zusatzteil
erlaubt, links am Fernschreiber montiert, auch die Verarbeitung von Lochstreifen. Einst diente das Gerät als Standardmodell für
den öffentlichen Telegrammverkehr der Bundespost und war darüberhinaus
-vorwiegend zur Lochstreifenbearbeitung- bis 1990 bei diversen Kommandoeinheiten der Bundeswehr im Einsatz.
In unserem Museum nutzen wir es für die Übertragung von
Telegrammen. Infolge der Abschaltung fast aller Telex-Netze in
Deutschland läuft
die Telegrammübermittlung heute via Internet, unter Verwendung des
i-Telex-Protokolls.
Auch wenn der offizielle Telegrammversand
aus wirtschaftlichen Gründen seit dem 31. Dezember 2022 in Deutschland
nicht mehr stattfindet, so kann man, mit Beginn der Museumssaison
2024, seinen Lieben vielleicht
gerade deswegen eine
kleine Freude bereiten. Per
Fernschreiber können in unseren Räumen
wieder echte
Telegramme (sogar die beliebten 'Schmucktelegramme')
mit einem persönlichen Text an beliebige
Adressaten aufgegeben
werden.